Hochzeit

Eine Hochzeit zu planen und zu feiern, wenn man chronisch krank ist, ist gar nicht so einfach. Trotzdem kann man einen schönen Tag haben! Mitte September durfte ich meine Theresa heiraten. Ich nehme es kurz vorweg: Der Tag war wunderschön und ich hatte mehr Kraft, als ich mir vorher hätte erträumen können. Trotzdem haben wir viel Zeit und Gehirnschmalz in die Planung investiert und mussten aufgrund meiner Erkrankung auch Abstriche bei einigen Dingen machen. 

Standesamt, Kirche oder freie Trauung?

Wir haben uns zuerst gefragt, was wir denn alles bei unserer Hochzeit haben wollen. Standesamtliche Trauung ist klar, ohne geht’s nicht. Dann in die Kirche? Oder eine freie Trauung? Wann machen wir Fotos? Wie sollen wir das alles unter einen Hut bekommen? Einfache Antwort: Gar nicht. Wenn man eine schwerwiegende chronische Erkrankung hat, ist das schlichtweg nicht möglich. Wir haben früh gemerkt, dass man nicht alles an einem Tag machen kann, weil ich die Kraft nie im Leben hätte aufbringen können. Am Ende haben wir „nur“ eine standesamtliche Trauung gemacht, da ich eh aus der Kirche ausgetreten bin und wir auch die freie Trauung als zusätzlichen Tagespunkt nicht geschafft hätten. Wir haben uns dafür ein etwas besonderes Standesamt ausgesucht, bei dem keine Fließbandarbeit stattfindet und die Trauung dementsprechend ungefähr 45 Minuten gedauert hat. Wichtig dabei war auch, dass die Trauung vormittags stattgefunden hat, sodass ich genug Pausen zum Erholen einplanen konnte. Wilma durfte morgens direkt mit meinem Trauzeugen spazieren gehen, sodass ich an diesem Tag meine „Therapie“ habe sausen lassen. Uns war aber auch eines klar: Ich werde den Tag im Rollstuhl verbringen und nur in wenigen Situationen stehen oder gehen können.

Die Trauung

Beim Warten auf den Einzug meiner Frau im Standesamt habe ich dann auch mal wieder gemerkt, was für ein Arschloch das vegetative Nervensystem doch sein kann: Neben Spastik-bedingten Krämpfen, Schweißausbrüchen und der üblichen Schmerzen kam dann auch noch ein starkes Zittern der linken Hand dazu. Als ich dann zum Ja-Wort aufstehen wollte, gings mit dem Zittern im Bein weiter. Aufregung ist also ein absoluter Trigger für meine Spastik und macht einem dann das Leben irgendwie schwerer. Trotzdem habe ich versucht diesen Zustand so gut es eben geht anzunehmen und mich auf meine Frau zu konzentrieren. Ich wollte die Krankheit an diesem Tag so gut es eben geht ausblenden. Aber leider gehört sie irgendwie auch dazu und es ist eben nicht so einfach, das zu tun. 

Nach dem Ja-Wort haben uns unglaublich viele Menschen gratuliert. Von Mitgliedern vom Schützenverein bis hin zu den Kindern aus Theresas Kindergarten waren so viele Menschen da, die sich mit uns gefreut haben. Ich habe mir dann erstmal ein Bier getrunken um meine Nerven etwas zu beruhigen (oder eher, um mir das dadurch einzureden). 

Fotos

Wir haben vorher mit unserem Fotografen besprochen, dass wir am Tag der Hochzeit kein einzelnes Paar-Shooting machen werden und das an einem anderen Tag nachholen. Deswegen haben wir nur Fotos mit der Familie und den Trauzeugen gemacht. Die Fotos als Paar werden dann (hoffentlich) an einem schönen Herbst- oder Wintertag nachgeholt. 

Die erste größere Pause

Wir hatten geplant, dass ich nach der standesamtlichen Trauung irgendwann von meinem Trauzeugen nach Hause gebracht werde, damit ich mich bis zum Abend ausruhen kann. Wilma wurde von einer Freundin betreut, sodass ich auch wirklich Ruhe haben konnte. Eigentlich wollte ich schlafen. Dabei habe ich aber nicht mit dem ganzen Adrenalin in meinem Körper gerechnet, der mich einfach nicht hat einschlafen lassen. Am Ende habe ich dann auf dem Sofa gelegen und Fußball geschaut. Das hat dann zwar nicht so gut geholfen wie schlafen, aber immerhin konnte ich meinem Körper noch eine Pause vom Sitzen geben. 

Der Abend und die Party

Meine Erkrankung macht es leider nötig, dass ich mich öfter lang mache, liege und etwas von der Umwelt abschalte indem ich die Augen schließe und döse. Das ist in so einer Party-Location oft nicht möglich, da die natürlich keinen separaten Raum mit einem Bett übrig haben. Zum Glück hat mein Schwiegervater ein Wohnmobil, das er mir für diesen Tag geliehen hat. Das stand dann auf dem Parkplatz und ich hatte jederzeit die Möglichkeit, mich dort einfach mal lang zu machen und den Lärm auszublenden. 

Nachdem wir alle Gäste begrüßt hatten und alle an ihrem Platz saßen, haben Theresa und ich eine kleine Rede gehalten. Danach gab es dann das Essen. Wir haben vorher darauf geachtet, dass ich überall mit dem Rollstuhl hinkomme und das war auch alles kein Problem. Nach dem Essen wurden dann noch ein paar Spiele gespielt und Geschenke überreicht, bevor dann irgendwann unser Eröffnungstanz stattfinden sollte. Vor diesem Tanz habe ich dann aber noch eine Pause im Wohnmobil eingelegt. 

Der Tanz

Mir war dieser Tanz wichtig. Ich wollte ihn nicht im Rollstuhl machen oder nur ein bisschen stehen und schunkeln, sondern wenigstens den Bierkisten-Walzer schaffen. Natürlich haben wir das vorher zuhause auch geübt, damit ich meinen Körper und die Spastik etwas austricksen kann. Bewegungen, die ich schon lange kenne und oft gemacht habe, fallen mir deutlich einfacher als „neue“ Abläufe. Als der Tanz dann kam und ich aus dem Rollstuhl aufgestanden bin, fingen meine Beine wieder an zu zittern. Ich habe mich da mittlerweile dran gewöhnt, es passiert einfach und ich muss das ja eh so akzeptieren. Aber ich glaube, dass viele unserer Gäste, die mich nicht jeden Tag sehen und das so nicht wussten, etwas geschockt waren. Das machte dann aber den Tanz umso schöner, da hier natürlich auch irgendwo unsere „besonderen“ Umstände eine Rolle in den Emotionen spielen. Es hat auf jeden Fall geklappt und wir konnten unseren Tanz genießen 😀

Feiern bis man umfällt

Nach dem Tanz bin ich zurück in den Rollstuhl und habe versucht irgendwie auf der Tanzfläche teilzunehmen. Da muss ich aber sagen, dass das einfach kacke ist. Ich habe nicht die Beweglichkeit und Schmerzfreiheit in meinem Oberkörper, dass ich nur damit „tanzen“ kann. Man fühlt sich auch irgendwie immer doof, wenn man eine Etage tiefer als alle anderen ist und eben nicht so mitmachen kann. Es fühlt sich falsch an. Also habe ich mich irgendwann von der Tanzfläche verabschiedet und bin zu denen gegangen, die nicht tanzen wollten. Ich habe mich mit vielen unterhalten, aber unterm Strich war es gar nicht möglich mit jedem lange zu reden. Natürlich habe ich noch ein paar Mal versucht mich wieder auf die Tanzfläche zu begeben, aber vielleicht hätten wir das vorher besser üben sollen. Irgendwann haben Theresa und ich probiert, dass sie mich an den Händen hält und mich quasi über die Tanzfläche vor und zurück und seitlich rollt. Das klappte schon ganz gut, aber es ist auch schwer dabei passend zu bremsen und ihr nicht das Trittbrett vors Schienbein zu hauen. Bitte versteht das auch nicht falsch: Ich habe auf meiner Hochzeit viel Spaß gehabt, konnte mich mit vielen Menschen unterhalten – aber beim Tanzen hat man eben gemerkt, dass ich eben einfach behindert bin. 

Ab nach Hause

Irgendwann wurde es immer leerer und die Party löste sich langsam auf. Wir bestellten uns dann auch mal ein Taxi (oder ließen es eher von jemandem machen). Da war es dann aber plötzlich schon 4 Uhr! Wir hätten vorher niemals gedacht, dass ich so lange ohne große Pausen durchhalten könnte. Als wir dann im Taxi saßen merkte ich aber auch, dass ich nicht mehr kann. Das Adrenalin verflüchtigte sich langsam und der Schmerz und vor allem die Erschöpfung gewannen die Oberhand. 

Der Tag danach

Wir waren um halb 5 im Bett. Um 7 Uhr klingelte zum ersten Mal mein Wecker, weil ich meine Tabletten nehmen musste. Da bin ich dann auch kurz aufgestanden und habe den Hund gefüttert. Um 9 Uhr bin ich dann endgültig aufgestanden, weil ich vor Schmerz nicht schlafen bzw. liegen konnte. Ich ging dann ein paar Meter mit dem Hund, einmal Pipi machen und wieder zurück. Dabei merkte ich zwar, dass ich ziemlich erschöpft war, aber dann doch nicht so sehr, wie ich es erwartet hatte. Im Verlauf des Tages ruhte ich mich trotzdem überwiegend aus. Nachmittags bzw. Abends packten wir noch ein paar Geschenke aus und schwelgten in Erinnerungen an die Hochzeit.

Auf Sparflamme

Am Montag dann kam der Hammer und erschlug mich komplett. Ich konnte nichts mehr und schlief in Summe ungefähr 14 Stunden, konnte mich kaum 5 Minuten auf den Beinen halten und war kognitiv gar nicht da. Den Tag über ließ ich mich nur vom Fernseher berieseln und versuchte die Schmerzen und die Erschöpfung einfach nur zu ertragen. Der Tag danach war nicht wirklich besser. Ab Mittwoch ungefähr merkte ich, dass ich wieder etwas mehr Kraft bekam. Aber ich war noch weit Weg von dem Zustand, den ich vor der Hochzeit hatte. Und am Freitag dann fuhren wir auch in unsere Flitterwochen.

Urlaub am Meer

Wir haben damit gerechnet, dass ich ein paar Tage brauchen werde, um mich von der Hochzeit zu erholen. Deswegen sind wir auch nicht unmittelbar danach losgefahren. Aber auch eine gute Woche hat nicht ausgereicht, um meine krüppeligen Akkus wieder vollständig zu laden. Den kompletten Urlaub über habe ich gemerkt, dass die einfach nicht wieder auf ein „normales“ Niveau geladen werden wollten. Wir machten im Urlaub natürlich auch viele Pausen. Ich war außerhalb der Ferienwohnung immer im Rollstuhl und gab der Erschöpfung teilweise einfach nach. Wir genossen trotzdem die Zeit zu zweit (oder eher zu dritt, Wilma war natürlich immer dabei) und hatten auch fantastisches Wetter. Wir waren 9 Nächte weg. Die letzten beiden Tage merkte ich aber, dass meine Akkus wieder leer waren. 

Die Wochen danach

Nach dem Urlaub bin ich bisher nicht mehr auf das Niveau vom Sommer gekommen. Das liegt einerseits daran, dass ich viel Zeit brauche um die Akkus zu laden und andererseits an der Tatsache, dass mein Körper massiv auf kältere Temperaturen und Feuchtigkeit in der Luft reagiert. Mir geht es im Winter immer irgendwie schlechter. Die Schmerztoleranz sinkt, die Kraft fehlt. Im Moment mache ich meine Therapien und hoffe, dass ich dadurch die Verkrampfungen der Muskeln und die Schmerzen etwas lindern kann. Und ich warte darauf, dass die Reha endlich beginnt und ich vielleicht einen Schritt vorwärts mache. Und natürlich schwelge ich weiterhin in Erinnerungen an unseren wunderschönen Hochzeitstag ♥️

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