Irgendwie weiter machen. Das höre ich in letzter Zeit sehr oft. „Es wird schon irgendwie weiter gehen“. Ja. Aber wie? Ich habe studiert, um mir ein besseres Leben zu ermöglichen, um einer Tätigkeit nachzugehen, die mir Spaß macht und die mich geistig fordert. Ich hatte einen Job, der genau das erfüllt hat. Und jetzt? Vorbei. Eine Chance, das alles zurückzubekommen? Eigentlich nicht vorhanden. Zumindest sehe ich keine.
Hoffen auf medizinischen Fortschritt
Das ist eines der meisten Dinge, die ich in diesem Zusammenhang immer gesagt bekomme. „Irgendwann ist die Medizin soweit, dann kann man alles heilen!“. Sorry, aber daran glaube ich nicht. Wir sprechen hier nicht über einen Gendefekt, über ein Protein, was mir fehlt oder über einen Parasiten, der mich befallen hat. Man kann Nerven noch nicht neu züchten. Oder ein Rückenmark wieder flicken, wenn es mal kaputt gegangen ist. Und selbst wenn irgendwann ein Wunder geschehen sollte: Soll ich etwa bis dahin warten und nicht mehr leben? Ich weiß, dass solche Aussagen nur dazu dienen sollen, mich aufzumuntern und mir Lebensmut zurück zu geben. Aber ich bin Realist. Bitte seid es mir zuliebe auch.
Die Psyche, alles die Psyche!
Ich streite nicht ab, dass die Psyche einen großen Einfluss auf Schmerzen hat. Als meine Berufsunfähigkeit abgelehnt wurde, bin ich in ein tiefes Loch gefallen – und bisher auch noch nicht wieder raus gekommen. Schmerzen verstärken sich durch schlechte Laune. Durch Depressionen. Durch Verzweiflung. Aber die Psyche ist nicht dafür verantwortlich, dass Dinge im Körper unwiderruflich kaputt sind. Die Psyche sorgt nicht dafür, dass der Schmerz entsteht. Der entsteht rein physikalisch durch Reizung von Nerven. Die kann man versuchen zu ignorieren. Manchmal klappt das, wenn man pure Freude verspürt und dadurch abgelenkt ist. Aber der Schmerz ist trotzdem da. Andersrum wird einem der Schmerz natürlich bewusster, wenn man schlechte Laune hat.
Gute Tage, schlechte Tage
„Es kommt bestimmt bald wieder eine gute Phase!“. Ja. Das stimmt. Irgendwann gibt es immer bessere Phasen. Vielleicht nur einen Tag. Oder auch eine Woche. Aber planbar ist das alles nicht. Ich will also nicht darauf hoffen, dass eine gute Phase kommt. Ich will in den schlechten Phasen genauso leben. Natürlich werde ich mich dann immer mehr hinlegen, als in guten Phasen. Aber ich will nicht nur Zuhause sitzen und die Wände anstarren. Mir ist es egal, wenn man mir draußen den Schmerz ansieht. Oder dass es mir schlecht geht. Ich will trotzdem raus. Ich will leben. Auch mit dem Schmerz, auch an schlechten Tagen.
Hilfe annehmen
Mir fällt es sehr, sehr schwer, Hilfe anzunehmen. Ich sage immer, dass ich das alles irgendwie schon hinkriege. Vermutlich würde ich das auch. Aber zu welchem Preis? Danach habe ich deutlich stärkere Schmerzen, kriege schlechtere Laune und kann noch weniger machen. Ist es das Wert? Eigentlich nicht. Warum mache ich es dann? Weil mein Stolz mir im Weg steht. Ich bin 34, habe noch alle Gliedmaßen und kann ja wohl ein paar Schritte durch den Supermarkt gehen. Und ich kann ja wohl Wäsche waschen. Irgendwas sinnvolles muss ich doch tun können, wenn ich schon den ganzen Tag zu Hause bin. Aber der Abend zeigt mir dann jedes Mal, dass die Schmerzen durch die Belastung viel zu stark geworden sind. Ist es falsche Belastung? Wahrscheinlich. Sollte ich die ganze Hausarbeit auf meine Freundin abwälzen? Sie würde sagen: Ja! Aber da ist er wieder, der Stolz. So krank zu sein, dass man die einfachsten Dinge nicht mehr kann. Das tut oft mehr weh, als die Behinderung an sich.
Mut zum Leben
Ich habe den Entschluss gefasst, mir einen Rollstuhl verschreiben zu lassen. Ich möchte wieder mehr von der Welt sehen. Ich möchte mich nicht von meiner Behinderung so sehr einengen lassen, dass ich nur noch die eigenen 4 Wände sehe. Der Schritt kostet mich sehr viel überwindung, zumal ich ihn ja auch nur zur Fortbewegung außerhalb der Wohnung bei Strecken über 500 Metern benötigen werde. Ich will mich (noch nicht) vollständig von einem Rollstuhl abhängig machen. Will weiter meine Muskulatur stärken, weiter bewegen so gut es geht.
Und der Camper?
Wie passt das zusammen? Rollstuhl, aber Arbeiten am Sprinter? Ich weiß es selbst nicht. Die letzten 4 Wochen habe ich nahezu nichts an dem Teil machen können. Und wenn, dann war nach einer Stunde Schluss und mein Körper schrie vor Schmerz. Vielleicht muss ich mir eingestehen, dass ich das nur in den guten Phasen kann. Oder vielleicht auch gar nicht mehr. Das wird die Zeit zeigen.
Psychologische Hilfe
Ja, ich würde gerne psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, um mit meiner Situation besser fertig zu werden. Ständig zu heulen ist nämlich gar nicht so geil. Aber natürlich haben wir einen Ärztemangel, die Wartelisten sind voll, einen Arzt findet man nicht. Wann ich mich behandeln lassen kann? Keine Ahnung. Das kann 3 Monate dauern oder 3 Jahre. Je nach Arzt. Interessanterweise sagt einem nur keiner der Ärzte, wie voll die Listen sind. Tolles System. Wirklich. Toll.