Ein Leben für die Arbeit

Es gibt Menschen, die ihren Beruf lieben. Sie arbeiten Tag und Nacht für etwas, dass sie glücklich macht. Bis irgendwann der Hammer kommt und sich der Körper weigert, noch einen weiteren Schritt zu machen. Wir hören dann in diesem Zusammenhang immer wieder die Erkrankung „Burnout“. Natürlich auch, wenn man einen Job aus Zwang macht, weil mein seine Familie ernähren muss oder weil man sich so sehr unter Druck gesetzt fühlt, dass man einfach nur funktioniert. Unser Arbeitssystem funktionierte lange Zeit nur so, bis diese Menschen vermehrt mit Herzinfarkt oder psychischen Problemen ausgefallen sind. Dann fand ein Umdenken in der Gesellschaft statt, dass das Privatleben und die Freizeit für eine ausgeglichene Gesundheit von großer Bedeutung ist. Es sollte nicht mehr als 45 Stunden in der Woche gearbeitet werden, nur noch 5 Tage, am Besten sogar nur 4 und 30 Stunden. 

Wenn man aber krank ist, zählt das alles nicht. Dann geht es nur darum, dass man irgendwie mit seinem Körper noch arbeiten kann. Dabei interssiert es das System nicht, ob man nach der Arbeit – egal wie lange die nun war – nur noch tot ins Bett fällt. Unser System interessiert es nicht, dass ein Leben, welches nur noch für die Arbeit dient, nicht mehr lebenswert für alle in der Bevölkerung ist, sondern nur für die Worcoholics unter uns.

Hinzu kommt dann auch noch, dass in diesem System grundsätzlich unterstellt wird, dass man lügen würde. Die Erkrankung ist selten und weicht von der Norm ab? Rente Abgelehnt. Es treten Symptome auf, die zwar auch bei anderen Patienten mit der Erkrankung auftreten, sich aber nicht zu 100% erklären lassen? Rente abgelehnt. Es existiert ein Gutachten, welches eine Erwerbsunfäghigkeit bescheinigt, aber es gibt einen klitzekleinen Widerspruch zwischen Berichten unterschiedlicher Ärzte? Rente abgelehnt. 

„Ihr Recht: Natürlich dürfen Sie gerne dem Urteil widersprechen, aber bis da eine Entscheidung ansteht, gelten Sie als gesund. Also beweg deinen Arsch und geh arbeiten. Geht nicht? Komisch. Na dann beantrage ALG I oder ALG II. Mir doch egal, was du machst. Wie, das ALG I läuft aus, bevor wir entschieden haben? Ja Hoppala. Zum Glück kannst du mir nix anhaben, ich hab eh immer Recht. Ach und klagen willst du gegen den Widerspruch auch noch, obwohl ich dir doch gesagt habe, dass ich Recht hab und du nicht? Wie, meine Argumente wären haltlos? Das kann ja gar nicht sein. Aber gut, klage du mal, wir sehen uns dann in 4 Jahren. Bis dahin bin ich in meiner wohlverdienten Rente und ein anderer kann sich um den Scheiß kümmern.“

Wenn man einen schlechten Sachbearbeiter erwischt, der um jeden Preis eine Verrentung ablehnen will, ist man auf die Sozialgerichte angewiesen. Sozialgerichte, welche Vorrangig Hartz4-Anträge zu bearbeiten haben und eh schon hoffnungslos überlastet sind. Und in der Zwischenzeit? Ja, da gibt es eben noch Hartz4. Der Haken an der Sache: Wenn man auf Hartz4 angewiesen ist, darf man erstmal alles an Ersparten aufbrauchen, darf kein teures Auto besitzen und wenn man in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, darf der Partner auch noch für einen mitbezahlen. Kurzum: Das Leben, was man sich während seiner ganzen beruflichen Laufbahn aufgebaut hat, ist durch unser Rentensystem auf einen Schlag im Arsch. 

„Aber wenn Sie Ihren Prozess gewinnen, kriegen Sie doch alles nachgezahlt!“. Ja, das ist in der Theorie wohl so. Aber was mache ich in der Zwischenzeit? VIelleicht habe ich eine Finanzierung für ein Auto oder eine Immobilie laufen. Vielleicht habe ich teure Handyverträge, weil ich es mir ja vorher leisten konnte. Oder Versicherungen, welche mich gegen jede Eventualität absichern sollte. Das alles darf ich dann in dieser Zeit – und zur Erinnerung: Ein Prozess kann schonmal gerne 4 Jahre dauern – nicht mehr haben. Langfristige finanzielle Verpflichtungen interessieren unser Sozialsystem nicht. Und dass man Finanzierungen nicht einfach so kündigen kann, erst recht nicht. 

Es gibt sicherlich deutlich schlechtere Sozialsysteme in anderen Ländern. Wir haben es in Deutschland unterm Strich gesehen schon gut. Aber ein fehlerhaftes System bleibt eben ein fehlerhaftes System. Außerdem bin ich in einem Land groß geworden, in dem einem stets gesagt wurde, dass man gegen Krankheit abgesichert ist und man nicht alleine da steht. Doch die Realität sieht anders aus. Eine Rentenversicherung will nicht jahrzehntelang für einen Zahlen, eine Berufsunfähigkeitsversicherung erst recht nicht. In einem durch Geld gesteuertem System ergibt das auch Sinn, ich würde es als Vorstand eines solchen Unternehmens auch nicht anders machen. Aber ist das gerecht? Das kann sich jeder selbst beantworten.

Krank sein ist schlimm genug. Nie wieder seinem Beruf nachgehen zu können, den man gerne gemacht hat, ist hart. Wenn man dann auch noch auf viele Hobbys verzichten muss, die man geliebt hat, wird man damit kaum fertig. Aber wenn man dann von offiziellen Stellen als Lügner und Simulant dargestellt wird, einem finanzielle Mittel zum Leben untersagt werden und man alles, was man sich jahrzehntelang erarbeitet hat aufgeben muss – Dann hat es ein System es durch Ignoranz geschafft ein Leben noch weiter zu zerstören, als es die Krankheit an sich schon getan hat. 

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