Nebenwirkungen

Menschen, die meine Krankheit und dessen Verlauf nicht kennen, sind immer wieder verwundert, dass es wohl nichts gibt, was gegen die Schmerzen hilft. Ich muss das ein Stück weit korrigieren und möchte hier erklären, was genau ich meine, wenn nichts hilft. 

Natürlich gibt es Schmerzmittel, die eine so große Wirkung auf meinen Körper haben, dass ich die Schmerzen nicht mehr spüre. Ein gutes Beispiel hierfür ist Dipidolor, welches ich nach Operationen eigentlich immer in irgendeiner Form bekommen habe. Dieses starke Opioid schafft es, dass ich die Schmerzen kaum noch spüre. Allerdings haben insbesondere Opioide – die oberste „Schublade“, wenn es um Schmerzmittel geht – massive Nebenwirkungen. Mit Dipidolor z.B. merke ich leider neben den Schmerzen auch sonst nicht mehr viel. Ich kann mich kaum an Gespräche erinnern und habe gegenüber anderen die Wirkung, als würde ich einfach nur „High“ sein.

Abhängigkeit

Und genau so ist es ja auch. Denn Opioide sind nichts anderes als Drogen. Oxycodon z.B. wird gerne die der „Zwillingsbruder“ von Heroin genannt, da die Wirkung ähnlich ist und eine Abhängigkeit ohne Gegenmaßnahmen genauso schnell entstehen kann. Das ist einer der Gründe, warum Opioide unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und nur durch eine große Kontrolle bzw. Reglementierung durch Ärzte vergeben werden kann. Opioide sind gefährlich. Aus diesem Grund sind den meisten Wirkstoffen das Mittel Naloxon beigemischt, da dieses den Sucht-Faktor eindämmt und das Risiko einer Abhängigkeit vermindert. Das bedeutert jedoch nicht, dass man nicht abhängig werden kann. Je länger man so ein Mittel einnimmt, desto wahrscheinlicher wird eine Abhängigkeit. Das hängt auch damit zusammen, dass der Körper sich an die Mittel gewöhnt und man immer mehr benötigt, um eine Wirkung zu spüren.

Eingewöhnungsphase

Wenn man in der obersten Schublade der Schmerzmittel angelangt ist, haben Medikamente eine immer größere Bandbreite an Nebenwirkungen. Als ich mit Oxycodon angefangen habe, konnte ich einige Tage lang nicht „normal“ leben. Ich konnte nicht mehr Autofahren, weil mir extrem schwindelig war. Ich hatte mit Übelkeit zu kämpfen. Kopfschmerzen. Stimmungsschwankungen. Und das Schlimmste: Müdigkeit. Es ist nicht so, dass ich dann einfach ein oder zwei Stunden eher ins Bett gegangen bin. Die Müdigkeit kommt wie ein Hammer. Mir fällt es von jetzt auch gleich schwer, die Augen offen zu halten. Ich muss dann dagegen ankämpfen, mich bewegen, ablenken und beschäftigen. Oder dem Drang nach Schlaf einfach nachgeben. Wenn ich letzteres mache, bin ich 1-2 Stunden außer Gefecht gesetzt.

Und danach?

Die langfristige Einnahme von solch starken Medikamenten kann nicht gut für den Körper sein. Langfristige Folgen können neben der Abhängigkeit auch sein: ein verändertes Wesen, Depressionen, Leber- oder Nierenschäden, Verstopfung, Schweißausbrüche und bei manchen Medikamenten kann sogar das Herz-Kreislauf-System langfristig Schaden nehmen. Opioide sind keine Medikamente, die man ein Leben lang nehmen sollte. Aber manchmal hat man auch keine Wahl (z.B. bei Krebserkrankungen).

Ist es das Wert?

Es gibt Phasen, in denen ich die Schmerzen nicht mehr ertragen kann. Dann bin ich froh, wenn ich ein neues Medikament ausprobieren kann. Dann habe ich kurz Hoffnung, dass es helfen könnte. Wenn sich dann die Ernüchterung einstellt, dass ich auch unter der Maximaldosis nur 20% der Schmerzen „wegdrücken“ kann, bin ich natürlich ziemlich enttäuscht. Wahrscheinlich könnte ich auch nicht über mehrere Jahre so ein Mittel einnehmen, da die Nebenwirkungen einfach zu krass sind. Ich habe alle der genannten Nebenwirkungen schon gehabt und insbesondere Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit schränken einen massiv ein. Für mich ist es kein Leben mehr, wenn ich das Haus nicht mehr verlassen kann, auch wenn ich dafür schmerzfrei auf dem Sofa liegen könnte (was ja leider trotzdem bisher nicht möglich ist). 

Alternativen?

Ich glaube, dass viele jetzt an medizinisches Cannabis denken. Natürlich habe ich mit meiner Ärztin auch darüber gesprochen. Und auch wenn Sie es mir gerne verschreiben würde, sind ihr insbesondere bei diesem Thema die Hände gebunden. Denn viele wissen nicht: Cannabis wird zwar vom Arzt verschrieben, muss aber vorher von der Krankenkasse genehmigt werden. Und die genehmigen das nur, wenn man alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Dazu zählt die komplette Palette an Medikamten und Therapien, die auf „herkömmliche“ Art und Weise helfen könnten. Kann man das nicht nachweisen, gibt es auch keine Genehmigung. Schließlich geht es unseren Krankenkassen rein um die finanziellen Aspekte und nicht um den Menschen, welcher unter Schmerzen leidet. Ähnlich wie die Deutsche Rentenversicherung scheinen unsere Damen und Herren der Ansicht zu sein, dass wir uns erst den massiven Nebenwirkungen und Schädigungen innerer Organe aussetzen müssen, bevor wir ein weniger massives Medikament probieren dürfen. Deutsche Logik eben. 

Die seelische Gesundheit

In diesem Zusammenhang ist aber nicht nur ein Schmerzmittel oft Gift für den eigenen Körper. Ich habe beispielsweise das große Problem, dass mich Herumliegen und nichts tun extrem ankotzt. Ich hasse es, nur Fernsehen zu können und habe auch kein Bock mehr auf Lesen. Ich will einfach etwas mit meinen Händen machen. Deswegen habe ich ja auch den Camper gekauft. Aber jeder Tag, den ich für wenige Augenblicke „arbeite“, hat zur Folge, dass ich am Nachmittag meist schon kaputt bin. Weil ich mich einfach verausgabt habe. Und dann sind die Schmerzen wieder stärker. Eigentlich ist auch das nichts anderes als eine Nebenwirkung. Allerdings eine, die ich meistens bewusst in Kauf nehme, damit nicht auch noch meine Stimmung im Keller ist. 

Fazit:

Jeder Schmerzpatient*in muss selbst für sich herausfinden, welches Maß an Nebenwirkungen er/sie/es/wasauchimmergendergerechtist  bereit ist, für eine gewisse Erleichterung in Kauf zu nehmen.  

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