Im Hamsterrad der chronischen Erkrankung

Manchmal fühlt es sich so an, als wäre ich in einem Hamsterrad gefangen. Nicht das Hamsterrad, was sonst so beschrieben wird. Wir Kranken haben nicht das Hamsterrad zwischen Arbeit und Familie, wie es sonst so bei Burnout & Co. beschrieben wird. Für uns ist das anders. Jeder Tag ist irgendwie unterm Strich gleich, die Kraft reicht am Ende nie aus. Meine Erkrankung schränkt meinen Alltag massiv ein und ich kann einfach nicht das tun, was ich gerne tun würde. 

Eine Art Pflichtgefühl gegenüber Anderen

Ich weiß, dass ich an mich denken muss. Aber wenn ich ständig nur an mich denke, stehe ich am Ende als Egoist da. Das ist nicht das, was ich möchte. Also „opfere“ ich etwas von meiner wenigen Zeit, um Dinge für andere zu tun. Ob es der „Pflichtbesuch“ bei jemandem ist oder das Erledigen von „Hausarbeit“ (zählt das Wegräumen von Geschirr schon dazu?).  Oder ich erledige den Papierkram, reiche Rechnungen bei Versicherungen ein oder Recherchiere, wo man irgendetwas besonders günstig kaufen kann. Macht mir das Spaß? Eigentlich nicht. Aber es kostet Kraft. Jeden Tag. Oft gucke ich am Ende des Tages zurück und denke, dass ich heute wieder nichts „schönes“ getan habe. Ja, ich habe vielleicht etwas sinnvolles getan. Aber etwas für mein Wohlbefinden? Eher weniger. Und dadurch wird oft das Gefühl des Hamsterrads verstärkt.

Ich habe einfach einen anderen Tagesrhythmus

Eines der größten Probleme, wenn man und jungen Jahren chronisch Krank ist: Man ist tagsüber zu Hause. Alle anderen sind Arbeiten. Mit wem kann man sich dann unterhalten? Da wären Gleichgesinnte oder Rentner. Oft bleiben einem nur Letztere, wenn man auch noch den persönlichen Kontakt möchte. Das Problem dabei ist, dass man vielleicht nicht unbedingt die gleichen Interessen hat und auch kognitiv nicht auf einer Ebene ist. Also bleibt man eher für sich alleine und hofft, dass der Nachmittag/Abend endlich kommt. Allerdings kostet der Tag oft schon so viel Kraft, dass man Abends dann auch nicht mehr lange wach bleiben kann. Ein Teufelskreis. 

Der Blick in die Zukunft

Oft sitze ich einfach da und wünsche mir, dass das alles nicht passiert wäre. Ich wäre gerne noch Ingenieur, hätte dann mein gutes Gehalt, könnte die Zukunft planen. Aber ich warte stattdessen auf Gerichte und Versicherungen. Nicht nur einige Tage, sondern Monate und Jahre. Und warum? Weil Entscheidungen getroffen wurden, die schlichtweg falsch sind und niemand versteht. Ich bin gefangen in einem Sozialsystem, das nur durch Gerichte richtig kontrolliert wird. Und die sind so langsam, dass mir mittlerweile graue Haare wachsen würden (wenn da auf dem Kopf denn noch was wachsen würde). Dadurch kann ich nichts planen. Ohne eigenes Einkommen kann man keine Zukunft gestalten. Das wird jeder Bürgergeld-Empfänger verstehen. Man lebt in den Tag, man hofft, den Monat zu überstehen. Und das, was man sich irgendwann einmal für die Zukunft gewünscht hat, ist in weite Ferne gerückt oder eh schon durch die Erkrankung zerstört. Ja, das klingt depressiv. Ist es irgendwo auch. Aber ist es nicht auch einfach die Wahrheit?

Such dir doch ein Hobby!

Fantastische Idee. Ein Hobby! Ja. Problem 1: Mein Körper verhindert es, dass ich Sport machen kann oder längere Zeit ohne Liegen aushalte. Dadurch fällt eine Menge weg. Problem 2: Es wären eigentlich Hobbys, die ich auch nur alleine machen kann. Wenn nicht, würden sie Nachmittags oder Abends stattfinden. Oder eben mit Rentnern. Juhu. Problem 3: Hobbys kosten Geld, was ich nicht habe. 

Spontanität ist nicht möglich

Manchmal werde ich spontan von jemandem gefragt, ob wir dies oder das machen können. Mal ist es auf Kinder aufpassen oder aber eine spontane Verabredung zum Kaffee & Co.. Es gibt Menschen, die denken, dass es doch viel besser ist, jemanden spontan zu fragen, ob er/sie Zeit hat. Dann baut man keinen Druck auf, man hat keinen festen Termin und man ist frei, da auch noch abzusagen. Das fand ich früher auch viel besser. Als ich noch gesund war. Aber heute ist das anders. Ich brauche feste Termine, denn ich muss meine Kraft einplanen. Spontan irgendwo hin? Geht nicht, wenn ich meine Kraft schon für Therapien, Haushalt und „Hobby“ ausgegeben habe. Also muss ich leider zu solchen spontanen Terminen oft „Nein“ sagen, auch wenn ich lieber „Ja“ sagen will. Das verstärkt das Gefühl vom Hamsterrad leider noch mehr. Im schlimmsten Fall wird man dann sogar irgendwann gar nicht mehr gefragt. 

Das Hamsterrad der chronischen Erkrankung – Gibt es eine Lösung?

Ich wünschte, es würde eine einfache Lösung geben. Ich sehe die im Moment nicht. Chronisch Krank zu sein bedeutet eben leider, dass man anders leben muss als zuvor. Vor allem, wenn man chronische Schmerzen hat und ständig Pausen machen muss, schränkt das massiv ein. Es gibt leider Dinge, die man eben nicht verändern kann. Vielleicht löst sich das Problem mit meinem Einkommen irgendwann. Das würde schon helfen. Und ein gewisses Bewusstsein für solch eine Situation bei Freunden und Verwandten sorgt vielleicht dafür, dass diese „Spontanität“ anders gehandhabt wird. Vielleicht ist es sogar möglich, dass der eigene Tagesrhythmus an den eines Kranken angepasst wird. Zumindest manchmal. Und vielleicht gibt es noch eine Lösung, die ich gerade nicht sehe. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

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