Grad der Behinderung bei Syringomyelie

Anfang Februar diesen Jahres habe ich mir gedacht, dass ich doch noch einmal versuchen möchte, eine Gehbehinderung in meinem Schwerbehindertenausweis zu bekommen und den Grad der Behinderung bei Syringomyelie neu bewerten zu lassen. Über diese „Ungerechtigkeit“ habe ich bereits in einem früheren Beitrag berichtet. Ich kann zwar noch einige Meter zu Fuß zurücklegen, aber eben auch nur in den guten Phasen und auch nur, wenn ich mir meine Kraft vorab genau einteile. Wilma wird mich da bestätigen 😉 Wenn ich also z.B. einen Bummel in der Stadt machen möchte oder auch nur durch den Rewe im Dorf gehen will, benutze ich meinen Rollstuhl. 

Antrag auf Neufeststellung

Der Antrag wird beim zuständigen Kreis gestellt. Dort hat man dann die Möglichkeit, den Antrag online auszufüllen oder eben als Pdf-Dokument, welches man dann ausdruckt. Weil Deutschland ja so richtig digital unterwegs ist, muss man aber bei dem online ausgefüllten Weg am Ende dennoch einmal alles ausdrucken, unterschreiben und per Post an den Kreis schicken. Deswegen habe ich mich direkt für das pdf-Dokument entschieden, da es schneller und einfacher auszufüllen ist. 

Angaben zu Ihren Gesundheitsstörungen

In dem für mich wichtigen Teil ist eine Art Tabelle aufgeführt. Dort soll man in einer Zeile seine Gesundheitsstörung aufführen und die mögliche Ursache hierfür, also ob es ein Arbeitsunfall war, angeboren ist oder wie auch immer. Was einem aber niemand sagt: Eine detaillierte Beschreibung von dem, was man nicht mehr kann, ist hier von entscheidender Bedeutung! Es nützt nämlich rein gar nichts, wenn man nur seine Diagnosen auflistet. Es geht beim Grad der Behinderung nämlich nicht darum, was man hat, sondern was man nicht mehr kann. Wenn ich also einen Bandscheibenvorfall habe, ist es wichtig zu erwähnen, dass ich nicht mehr gehen kann oder dass ich nach wenigen Metern gehen unerträgliche Schmerzen bekomme. Ich habe also neben meinen Diagnosen auch sämtliche Einschränkungen in meinem täglichen Leben in einem separaten Dokument aufgelistet. Dabei habe ich nicht den durchschnittlichen Tag genommen, sondern den schlechten. Davon habe ich nunmal so einige in der Woche/im Monat/im Jahr, sodass meine Einschränkungen auch genau an solchen Tagen zu beurteilen sind. Beispiele hierzu führe ich noch am Ende des Artikels auf. 

Warten

Nachdem ich wie in den Beispielen beschrieben 2 Seiten gefüllt habe, ging der Anrtrag zusammen mit sämtlichen Berichten seit meinem letzten Antrag sowie dem aktuellen Pflegegutachten an die zuständige Stelle des Kreises. Ich erhielt ungefähr eine Woche später eine Eingangsbestätigung mit einem Aktenzeichen. Dieses Aktenzeichen konnte ich auf einer Seite eingeben, um den aktuellen Verfahrensstand zu sehen. Dort sah ich über Monate lang nur den Status „Befundberichte angefordert“ und „Sachstandsaufklärung gestartet“. Nach ungefähr 4 Monaten wurde dieser Prozess ein erneutes Mal aufgeführt. Vermutlich wurden einfach noch mehr Berichte von anderer Stelle angefordert. Nach 5 Monaten wurde mir das langsam zu viel Warterei und ich fragte beim Kreis nach, woran es denn jetzt haken würde und ob ich ihnen irgendwelche Berichte noch besorgen könne. Ich erhielt eine Standard-Antwort, dass eine Bearbeitung bei komplexen Fällen bis zu 6 Monate dauern könne. Am selben Tag der Antwort sprang der Status auf „medizinische Prüfung“. Erstaunlich! Die medizinische Prüfung wurde abgeschlossen, die rechtliche Prüfung erfolgte. Alles an einem Tag, Puh, wie schnell es dann doch geht. oder hat da jemand das Online-Portal nicht gepflegt oder den Fall zu lange liegen lassen? Man weiß es nicht.

Überraschung

Ich hoffte beim Antrag, dass der Grad der Behinderung (GdB) von 50 vielleicht noch erhöht werden würde und ich endlich das Merkzeichen G erhalten würde. Der Bescheid überraschte mich dann jedoch völlig, da ich auf einmal unbefristet einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen G, aG und B erhielt. Ich habe mich im ersten Moment riesig darüber gefreut, da ich nun den höchsten GdB erhalten habe und das so wichtige Merkzeichen aG, wodurch ich nicht nur auf Behindertenparkplätzen parken darf, sondern auch bei der Kfz-Steuer entlastet werde und vergünstigt öffentliche Verkehrsmittel nutzen kann.

Bin ich wirklich so kaputt?

Nach der Freude kam aber auch ein gewisser Zweifel. Bin ich denn wirklich so kaputt? Ich war einen Moment lang ziemlich verzweifelt und hatte auch Tränen in den Augen. Ja, ich bin so kaputt. In meinen schlechten Phasen bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen. In diesen Phasen liege ich nur im Bett und kämpfe gegen die Erschöpfung und den Schmerz. Der Bescheid ist – auch anhand der von mir beschriebenen Einschränkungen – schlichtweg gerechtfertigt. Trotzdem tut es unheimlich weh, diese Tatsache schwarz auf weiß lesen zu können. Ich las den Bescheid noch einige Male. Zu meinen Einschränkungen, welche relevant für den GdB sind, zählten:

  1. Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, Tetraparese und -spastik
  2. Psychische Beeinträchtigung, somatisches chronisches Schmerzsyndrom
  3. Bronchialasthma
  4. Neurodermitis
  5. Funktionsstörungen des rechten Kniegelenkes

Alles nur die Psyche? Ne!

Dabei muss man sagen, dass die Punkte 3-5 eine untergeordnete Rolle spielen, da sie für sich allein für keine Schwerbehinderung bei mir sorgen. Der erste Punkt ist klar, darunter fallen Syringomyelie und die Bandscheibenvorfälle. Die Chiari Malformation scheint keine Bedeutung zu haben. Wurde ja auch operiert, muss ja wieder gut sein. Interessanterweise wird das chronische Schmerzsyndrom hier noch unter einer psychischen Beeinträchtigung aufgeführt, obwohl seit Januar 2022 durch die Einführung des ICD-11 (ein Klassifizierungssystem von Erkrankungen) das chronische Schmerzsyndrom nicht mehr als psychische Störung gilt, sondern als eine Schmerzerkrankung. Schmerzen sind also nicht mehr „nur“ eine Einbildung durch eine psychische Störung ohne erkennbaren Auslöser, sondern sind eine eigenständige Erkrankung welche auch durch Vorerkrankungen ausgelöst worden sein kann. Chronische Schmerzen sind also eine eigene Diagnose, eine eigene Erkrankung und nicht immer nur auf die Psyche zurückzuführen. Eventuell gibt es also hier auch noch einen gewissen Weiterbildungsbedarf der ärztlichen Begutachtungsstelle des Kreises. 

Fazit zum Grad der Behinderung bei Syringomyelie

Mit etwas Abstand auf dieses Thema bin ich letztendlich nur dankbar, dass ich mich nie wieder um dieses Thema kümmern muss. Ich habe den höchsten GdB, alle Merkzeichen die ich mit meiner Erkrankung erhalten kann und das Ganze auch noch unbefristet. Mehr geht nicht. Und ich werde mich auch garantiert nicht darüber beschweren 😉Sollte jemand von euch noch detaillierte Fragen in Bezug auf den GdB haben und durch meine Erläuterung noch nicht vollständig zufrieden sein, könnt ihr natürlich jederzeit Kontakt zu mir aufnehmen. 

Beispielhafte Einschränkungen zum Grad der Behinderung bei Syringomyelie

Da es vielen schwer fällt, seine Einschränkungen zu beschreiben, möchte ich hier einige Beispiele aufführen:

Die Hausarbeit ist mir nicht mehr möglich, da ich aufgrund von Paresen im gesamten Körper nur unter großer Anstrengung und erheblichen Schmerzen stehen kann und die Arme nicht richtig bewegen kann. Dadurch kann ich Tätigkeiten wie das Kochen von frischen Mahlzeiten, Staubsaugen/Wischen der Wohnung, Bettmachen, Fensterputzen, Staubputzen oder auch das Einkaufen nicht mehr eigenständig und nur mit Unterstützung im Rollstuhl bewerkstelligen. Das Greifen nach Gegenständen löst vermehrt eine Spastik aus, bei der meine Gliedmaßen krampfen und Zittern. (siehe auch: Gutachten zum Pflegegrad)

Treppensteigen ist nur unter größter Anstrengung und mit erheblichen Schmerzen und mit Stütze durch einen Handlauf und einer Begleitperson möglich. Beim Treppenaufstieg stolpere ich oft, da ich das Bein nicht genug heben kann und so an der Treppenstufe hängenbleibe. Wenn die Schmerzbelastung durch vorheriges langes Sitzen meine Konzentrationsfähigkeit stört, bin ich auch zusätzlich zu einem Handlauf auf die Unterstützung einer Begleitperson angewiesen. Nach hoher Belastung macht sich eine große Kraftlosigkeit in den Beinen bemerkbar, wodurch ich selbst stolpere, und eine Stütze benötige.

Außerhalb der Wohnung oder des KFZ muss ich mich mit einem Rollstuhl mit elektrischer Restkraftunterstützung fortbewegen. Innerhalb der Wohnung kann ich mich noch an Wänden abstützen und so einige Schritte eigenständig gehen. Dies erfolgt jedoch stets unter erheblichen Schmerzen und äußerst unsicher. Wenn ich mich innerhalb der Wohnung fortbewege, muss ich immer den Blick auf meine Füße werfen, da ich die Stellung und Position meiner Beine nicht mehr erkennen kann (Auswirkung der Chiari Malformation)

In der Alltagsgestaltung bin ich durch depressive Stimmungslagen und der damit verbundenen Antriebslosigkeit und negativen Einstellung gehemmt in der Wahrnehmung von Sozialkontakten. Oftmals möchte ich aufgrund der anstehenden Schmerzen bei Bewegung das Haus nicht verlassen und muss von meinem Umfeld überredet werden.

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