Städtetrip mit Rollstuhl

Nachdem der Kampf um die Rente gewonnen ist, haben wir erstmal Urlaub gemacht. Und ich muss gestehen, dass sich so ein Urlaub doch um ein Vielfaches besser anfühlt, wenn man nicht ständig auf seinen Kontostand guckt oder von der Frau alles bezahlt bekommt. Geld zu haben macht eben doch ein Stück weit glücklich, auch wenn man oft andere Dinge liest.

Barrierefreiheit

Berlin ist – anders als sie es von sich selbst behaupten – nicht barrierefrei. Sie reden es sich nur schön. Ja, die öffentlichen Gebäude wie Museen oder Bahnstationen sind oft mit Fahrstühlen oder Rampen ausgestattet. Aber man muss ja auch erstmal zu diesen Orten hin kommen. Unzählige Wege aus Kopfsteinpflaster, Gehwegübergänge mit hohen Kanten oder einfach dämlich aufgebaute Baustellen – das macht einem im Rollstuhl doch das Leben schwer. Aber auch bei den S und U-Bahnen ist es nicht mal eben so möglich, alleine einzusteigen. Oft muss man eine ca. 8 cm hohe Kante überwinden. Dafür kann man zwar dann einen Knopf am Bahnsteig drücken, damit einem geholfen wird. Aber will man das denn immer? Man will doch auch unabhängig sein können. Und nur, weil man im Rollstuhl sitzt, will man ja nicht ständig auf Hilfe angewiesen sein. Den Vogel abgeschossen hat aber der Fahrstuhl am Alexanderplatz zu der U5: Wenn man vom Bahngleis aus einsteigt, kann man dort auf den Knopf für den Ausgang drücken. Es steht nur leider nirgends, dass dieser Fahrstuhl gar nicht zum Ausgang fährt! Der Knopf ist eigentlich ohne Funktion. Man muss in einer größeren Halle dann umsteigen in einen weiteren Fahrstuhl. Da dort aber dann Fahrgäste von allen Gleisen zusammenkommen, ist dieser eine, kleine Fahrstuhl hoch frequentiert. So kann man dann schonmal 20 Minuten brauchen, bis man aus dem Bahnhof raus ist. 

Das Vorspannrad – nie wieder ohne

Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal so glücklich sein würde, dieses Vorspannrad zu besitzen. Die eingangs erwähnten Kanten und das Kopfsteinpflaster sind mit dem Vorspannrad völlig egal. Schade ist einfach, dass so ein großartiges Hilfsmittel von Krankenkassen einfach viel zu selten bezahlt werden. Man sollte die Menschen einfach mal einen Tag quer durch Berlin schicken, damit die das mal selbst erleben können. 

Belastungssteuerung

Wir haben versucht jeden Tag 2 Mal in die Stadt zu fahren. Aber schon am vierten Tag brauchte ich eine Pause, weil mein Körper einfach nicht mehr wollte. Es ist zwar eine große Erleichterung, alles im Rollstuhl erleben zu können, aber es ist eben trotzdem anstrengend. Wenn ich 3 Stunden in der Stadt bin, lassen meine kognitiven Fähigkeiten einfach sehr stark nach. Ich verliere dann die Orientierung, muss Theresa ständig fragen welche Bahn wir wann nehmen müssen und registriere von meinem Umfeld auch maximal die Hälfte. Das ist schade, macht mich traurig – ist aber einfach nicht zu ändern. Ich versuche dann im Übergangs-Zuhause abzuschalten, schlafe, ruhe mich aus in der Hoffnung, dass ich am Nachmittag oder Abend noch einmal los kann. 

Hilfsbereitschaft

In den Restaurants, Läden und Museen waren die Menschen alle sehr hilfsbereit. In den U- und S-Bahnen musste man oft daran erinnern, dass die Rollstuhlplätze auch für Rollstuhlfahrer sind. Das klappte dann aber auch. Und versteht mich jetzt bitte nicht falsch: Ich finde es nett und gut, wenn Menschen helfen. Aber wenn jemand ohne zu Fragen den Rollstuhl anhebt, damit ich über eine Kante komme, macht es das für mich als Rollifahrer leider oft sehr schwer, das Gleichgewicht zu halten. Auch für das Material ist es nicht so toll (insbesondere beim Vorspannrad). Ich würde mir da wünschen, dass die Menschen erst fragen, bevor sie etwas tun. Auch, weil ein behinderter Mensch vielleicht manche Dinge erst alleine probieren möchte. Aber das Thema Ableismus ist leider noch nicht so ganz in den Köpfen angekommen und wird noch einige Jahrzehnte brauchen, um „normal“ zu werden. 

Fazit

Berlin mit dem Rollstuhl ist gut machbar. Aber es kommt stark darauf an, welche Fähigkeiten man selbst noch hat, ob man eine Begleitung bei sich hat und auch, wie man selbst ausgerüstet ist. Alles in Allem hatten Theresa und ich aber einen schönen Urlaub und konnten das Thema „Behinderung“ weitestgehend ausblenden bzw. meine Behinderung als „Normalzustand“ ansehen. Aber trotzdem kann – und darf – man nicht vergessen, dass ich halt behindert bin und ein Städtetrip vollkommen anders abläuft.

 

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