Tiefenentladung – Ein Beispiel für Erschöpfung bei Syringomyelie

Ich habe bereits in einem früheren Beitrag über das Thema Erschöpfung in Zusammenhang mit der Syringomyelie bzw. chronischen Krankheiten gesprochen. Heute möchte ich dazu noch einmal ein konkretes Beispiel geben, damit Menschen verstehen können, welchen Preis Aktivitäten bei mir/uns haben können.

Wenn ich mich nach Aktivitäten nicht schone und meinen Akku komplett leer fahre, ist er tiefenentladen und braucht eine sehr lange Zeit, um wieder funktionieren zu können.  Bestes Beispiel ist mein Junggesellenabschied: 5 Stunden im Rollstuhl, 2 Stunden schlaf, wieder 5 Stunden im Rollstuhl. Die Freude über diesen besonderen Tag hat geholfen, um überhaupt genug Kraft für solch einen Tag zu haben. Aber die Konsequenzen hatte ich dann in den nächsten Tagen/Wochen zu ertragen:

Tag 1 nach dem JGA

Erschöpfung und Müdigkeit. Kaum aus dem Bett rausgekommen, ständig fallen die Augen zu und man schläft wenige Minuten bis hin zu Stunden ein. Die Kraft im Körper ist komplett weg, selbst das Heben der Arme fühlt sich an als wären schwere Sandsäcke drangebunden. Die Konzentrationsfähigkeit ist massiv eingeschränkt. Spannende und verworrene Thriller im Fernsehen gucken? Fehlanzeige. Ich gehe früh schlafen und bin auch nach fast 10 Stunden schlaf nicht halbwegs fit.

Tag 2

Jetzt kommen die Schmerzen. Unerträgliche Nervenschmerzen, da der komplette Apparat verkrampft ist und sowohl die Syrinx zu viel Druck bekommt als auch die Wirbelsäule. Meine Beine sind taub, kribbeln ununterbrocken und die Stromstoß-artigen Schmerzen vom Lendenwirbelbereich bis in die Zehen lassen nicht nach. Ich bleibe nur liegen, hole mir Hilfe für die Betreuung von Wilma und hoffe, dass der Tag irgendwann vorbei ist.

Tag 3-7

Die Schmerzen werden etwas erträglicher, das Energieniveau ist aber immer noch im Keller. Ich bin vom Waschen und Anziehen so kaputt, dass ich mich wieder eine Stunde hinlegen muss. Ich fahre zu meinen Therapien, aber ich kann keine Übungen machen. Meine Muskulatur schmerzt, die Therapeuten versuchen sie zu lockern. Ich versuche mit Wilma zu gehen, wenn auch oft nur 150 Meter weit. Wir bleiben oft stehen, ich gehe sehr langsam. Ich kann mich immer noch nicht gut konzentrieren, ein Buch länger als 10 Minuten lesen klappt nicht. 

Tag 8 – 12

Ich habe langsam wieder etwas mehr Energie. Ich kann mich wieder mehr bewegen, die Schmerzen gehen wieder auf ein normales Niveau zurück. Die Auswirkungen vom JGA scheinen ausgestanden zu sein.

Fazit

War es das wert? In den ersten Tagen dachte ich, dass es das nicht ist. Schmerzen benebeln einen, machen einen anfällig für depressive Gedanken und nehmen einem die Freude am Leben. Mit etwas Abstand kann ich aber eindeutig sagen: Ja, der JGA waren die 2 Wochen danach wert. Ich habe am Leben teilgenommen, wenn auch etwas anders als gesunde Menschen. Ich bin immer noch ein Mensch, der in der Gesellschaft funktionieren kann. Ich kann vielleicht nicht stundenlang einem Gespräch folgen und mit Sicherheit merkt man mir irgendwann an, dass ich etwas neben mir stehe. Aber jede einzelne Unterhaltung, die ich an diesem Tag geführt habe, hat mir etwas mehr von meinem Selbstwertgefühl zurückgegeben. Und wenn man dafür dann ab und zu 2 Wochen lang neben der Spur ist, ist es das dennoch wert.

Weiterführende Informationen

Wenn du noch tiefer in das Thema „Erschöpfung“ gehen möchtest, findest du weitere Informationen unter den Stichworten „Fatigue“, „Erschöpfungssyndrom“ oder „ME/CFS“ (steht für myalgischer Enzephalomyelitis/chronischem Fatigue-Syndrom). Als erste Anlaufstelle kann ich dafür tatsächlich die Seite der Techniker-Krankenkasse empfehlen, auch wenn ich die Krankenkasse selbst durch viele negative Erfahrungsberichte von diversen Rollstuhlfahrern eher nicht empfehlen würde.

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