Erschöpfung

Man kennt das: Wenn man eine Erkältung hat, einen „grippalen Infekt“, dann fühlt man sich schlapp und erschöpft. Der Körper kämpft gegen eine Infektion und mobilisiert sämtliche Kraft gegen den „Feind“, bis dieser nach ein paar Tagen besiegt ist. Man fühlt sich danach trotzdem noch eine Weile schlapp und erschöpft, aber die Symptome gehen rasch weg und man ist wieder bei alter Kraft.

Bei einer chronischen Erkrankung ist das eigentlich genauso. Mein Körper kämpft ständig gegen die Einschränkungen. Ob es die Spastik ist, die fehlgeleiteten Nerven, die Schmerzen. Mein Körper muss ständig seine Kraft umverteilen und gegen eine dieser Baustellen kämpfen. Manchmal in Bruchteilen einer Sekunde – wenn die Spastik dafür sorgt, dass der Rücken verkrampft und an bereits geschädigten Nervenenden noch mehr Schmerz verursacht. Das Problem dabei ist, dass mein Körper durch den ständigen Kampf kaum die Möglichkeit hat, seine Kraftreserven wieder zu regenerieren. Das klappt nur bis zu einem gewissen Grad – die Belastungen für den Körper sind ja immer da – und auch nur über mehrere Tage bis hin zu Wochen hinweg. 

Der eigene Anspruch

Ich habe ständig damit zu kämpfen. Ich mache mir immer selbst Druck, dass ich irgendetwas erledigen muss, dass ich nicht nur den ganzen Tag rumliegen kann. Aber mein Körper sagt mir viel zu oft auf unmissverständliche Weise, dass er jetzt gerade einfach die Energie nicht für weitere Bewegung über hat, sondern einfach nur liegen muss – damit die Schmerzen ertragen werden können, die Spastik sich beruhigt, die Muskulatur ein Stück weit entspannen kann. Hier führt mein Körper dann den Kampf gegen mich selbst – gegen meinen Anspruch, denn ich will mein Leben nicht nur im Liegen verbringen.

Der Blick der Gesellschaft

Es ist leider so, dass Menschen von dem geleitet werden, was sie sehen. Sie hinterfragen nur sehr selten, ob das, was sie sehen können, nur eine Momentaufnahme ist oder ein Dauerzustand. Wenn ich also Kraft habe, am Morgen eine Weile mit Wilma zu spielen, verstehen Sie oft nicht, dass ich dann am Abend eben keine Kraft mehr habe, um auf eine Party zu gehen. Zum Glück ist diese Denkweise aber in meinem Freundeskreis nicht so sehr verbreitet, wie bei Ärzten, Gutachtern oder Versicherungen. Denn die gucken leider nur den einen kleinen Moment an und weiten diesen Eindruck auf das ganze Leben aus. 

Fatigue

Die Erschöpfung, die ich hier beschreibe, wird immer häufiger als „Fatigue-Syndrom“ beschrieben. Damit hat man diesem einzelnen Symptom-Komplex – Müdigkeit, Abgeschlagenheit, fehlende Energie – einen Namen gegeben. Leider wird Fatique von den Ärzten kaum bis gar nicht beachtet. Wenn ich davon berichte, dass ich mich sehr müde und abgeschlagen fühle, wird zwar genickt, aber der Fokus liegt stets auf anderen Bereichen. Dabei schränkt das Fatigue-Syndrom einen Menschen massiv in seiner Lebensqualität ein. Als gesunder Mensch kann man das vielleicht am ehesten damit vergleiche, wenn man nach einer durchzechten Nacht morgens um 6 nicht ins Bett, sondern zur Arbeit fahren muss. Ist nicht so geil, oder?

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