Ich habe immer gesagt, dass man nach vorne blicken muss. Dass nicht alles schlecht ist, wenn man krank ist. Natürlich kann ich weiter dem Traum nachgehen eine kleine glückliche Familie zu haben. Und das ist auch wirklich ein riesiger Wunsch, den ich mir garantiert irgendwann erfüllen kann. Aber das ist ein Wunsch, der mehr oder weniger zum „großen Ganzen“ gehört. Das hilft mir im Moment nicht. Das hilft mir nicht jeden einzelnen Tag gegen eine Langeweile anzukämpfen, die einen nicht nur runter zieht, sondern auch irgendwann nach dem Sinn fragen lässt. Was soll ich mit meinem Leben anfangen? Was soll ich den ganzen lieben Tag lang machen?
Die Hobbys
Hobbys sind natürlich schön. Und man braucht auch welche. Aber das ist eben alles nicht so einfach, wenn deine bisheriges Interesse dem Handwerk, Sport und der Bewegung gegolten hat. Natürlich kannst du dir kleine Projekte suchen. Aber du wirst schnell an eine Grenze stoßen, an der du das körperlich nicht mehr kannst. Und im besten Fall bleiben dann immer noch 12 Stunden vom Tag übrig, in denen du irgendwas machen willst.Für mich ist das Quälendste dabei die Frage nach dem Sinn: Was bringt es, wenn ich ein Bild male und es hinterher wegwerfe, weil es a) einfach hässlich ist b) sich niemand freiwillig irgendwo hinhängen würde und c) ich einfach keinerlei Talent dafür habe? Ein Hobby muss dir etwas zurück geben. Du musst darauf stolz sein können. Du musst es jemandem zeigen können, es vielleicht auch einfach mit jemandem zusammen machen können. Wenn das alles nicht geht, ist es kein Hobby, was dich langfristig glücklich machen kann.
Der Sinn der Arbeit
Ich war in meinem Arbeitsleben kein ganz so doofer Kerl. Ich habe mich mit Prozessoptimierungen und -entwicklungen beschäftigt, konnte meine Gedanken und Ideen immer in meinem Beruf einbringen und so die Effizienz steigern. Darauf bin ich stolz. Oder anders: Ich war es, bis mir diese Scheiße passiert ist. Für mich hat aber genau das einen Sinn ergeben: Ich konnte ein Unternehmen besser machen, welches für die Versorgung von Menschen zuständig war. Ich konnte dafür sorgen, dass diese Menschen weniger Geld bezahlen müssen. Das hat mir einen Sinn bei der Tätigkeit gegeben. Und es hat mir einfach Spaß gemacht. Wenn einem dieser Teil wegbricht, bricht leider auch ein Teil seiner Identität weg. Und für alle, die hier gerade hoffen, einen Tipp im Umgang damit zu finden: Ich hab keinen. Die Arbeit kommt nicht zurück. Das muss man einsehen. Dieses Kapitel ist zu Ende. Hier geht es nicht weiter, hier kann man keinen Ersatz finden. Außer ihr könnt arbeiten. Dann herzlichen Glückwunsch.
Die anderen gehen arbeiten – und du?
Wenn andere jetzt über die Arbeit reden, kann ich nicht mehr mitreden. Ich arbeite schließlich seit 1 1/2 Jahren nicht mehr. Ich kann keine Vergleiche zwischen unseren Firmen mehr anstellen. Ich weiß nicht, wie sich Corona auf unterschiedliche Branchen ausgewirkt hat. Ich habe nur das Wissen aus der Zeitung – und ganz ehrlich, die recherchieren mittlerweile nur noch für eine gute Überschrift, nicht für die Wahrheit. Wenn andere sich also über die Arbeit unterhalten, dann sitze ich nur noch nickend da. Ich weiß, dass die Menschen nichts mehr beschäftigt als die eigene Arbeit – schließlich leben wir in einer Welt von Workaholics und Hobby-Beruflern, die einfach nichts lieber machen als zu arbeiten. Wenn man aber das alles verloren hat, bekommt man auch einen anderen Betrachtungswinkel auf die Dinge: Arbeit ist nicht alles. Dir gibt keiner Gelegenheiten und Zeit zurück. Wenn du gestern etwas nicht gemacht hast, weil du arbeiten musstest, kann es sein, dass du es nie wieder machen kannst. Du kannst einer Krankheit nicht sagen „Halt, Stop! Jetzt rede ich! Komm morgen wieder!“. Ein Unfall kommt immer dann, wenn man ihn nicht gebrauchen kann. Und vielleicht ist dann alles zu spät. Vielleicht bereust du dann, dass du gestern nicht mit deiner Freundin zusammen den Nachmittag mit dem Schmücken der Wohnung für Weihnachten verbracht, sondern mal wieder bis spät Abends gearbeitet hast.
Und was ist nun der Sinn im Leben?
Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ich bin noch lange nicht soweit. Ich versuche mir Hobbys zu suchen, die mir auf lange Sicht etwas bringen. Aber für solche Hobbys braucht man leider Geld. Und wer sich in einem Rechtsstreit mit der Deutschen Rentenversicherung befindet weiß, dass man das in solch einer Phase nicht gesichert zur Verfügung hat. Ein Hobby zu finden, was kostenlos ist, einen viele Stunden am Tag beschäftigt und auch noch mit seiner Krankheit zu vereinbaren ist, ist unheimlich schwer. Haltet einfach durch. Irgendwann kommt die Idee, die euch weiterhilft. Und bis dahin helft anderen Menschen so gut ihr könnt. Denn auch das ist der Sinn dabei: Menschen glücklich zu machen durch kleine Dinge, die IHR getan habt.