„Echte Liebe“

Es ist 20:45 Uhr. Ein Flutlichtspiel. Das Stadion ist rappelvoll, ausverkauft. Die legendäre Südtribüne hat heute eine „einfache“ Choreografie gewählt. Das Vereinslogo, nachgebildet mit vielen einzelnen, farbigen Pappen, hochgehalten von 18.000 Menschen. Die Hymne der Championsleague ertönt, die Mannschaften laufen ein. Die Spieler posieren für Fans und Fernsehen. Es werden noch Mannschaftsfotos gemacht, die Spieler klatschen sich gegenseitig ab. Und los geht’s.

Ich bin über 10 Jahre lang Teil dieser legendären Südtribüne gewesen. Als Dauerkarteninhaber habe ich zwar nicht jedes Spiel im Stadion angesehen, aber doch bestimmt 90%. Ich bin Fan, seit ich selbst an den Ball treten konnte. Und ich werde auch immer Fan bleiben. Nur eben nicht mehr auf der Südtribüne. Und genau das bricht mir bei jedem Heimspiel auf’s Neue das Herz.

Südtribüne

In unserem Block 15 kannten wir uns. Ob alt oder jung, ob groß oder klein, Frau oder Mann. Wir waren eine eingeschworene Truppe, haben uns immer irgendwie an denselben Platz gestellt, haben uns gegenseitig das Bier mitgebracht und auch die Südtribünen-Touristen, welche meist Freunde oder Kinder der Dauerkarteninhaber waren, freundlich empfangen. Und ja, wir hatten sogar schonmal einen Schalker dabei. Neutral natürlich. Und er hat auch nie öffentlich zugegeben, dass er Schalker ist. Aber er war eben Fan vom Fußball an sich, von der Gemeinsamkeit mit Freunden. Und ich sage mit Recht, dass dies eine Art Fußball-Familie für mich war. 

Ein anderer Platz

Mir wurde schon oft gesagt, dass ich mich ja auf die Rollstuhl-Plätze im Stadion bewerben könnte. Dann könnte ich ja nochmal ein Spiel sehen. Aber da gibt es mehrere Gründe, die einfach dagegen sprechen:

  1. Für die Rollstuhl-Plätze muss ich in meinem Schwerbehindertenausweis eine „außergewöhnliche Gehbehinderung“ eingetragen haben. Leider hat mir das Versorgungsamt zuletzt ja nichtmal eine Gehbehinderung anerkannt. Somit kann ich rein rechtlich schon nicht auf einen solchen Platz.
  2. Es geht nicht nur um das Spiel. Ich muss zum Stadion anreisen und auch wieder abreisen. Die Verhältnisse in Bussen und Bahnen sind zu einem Spieltag katastrophal. Die Regionalbahnen, welche ich nutzen könnte, haben nicht an jedem Eingang die Möglichkeit mit einem Rollstuhl überzusetzen. Und das Abteil, welches die Möglichkeit hat, wird bei Erreichen schon voll sein. Also bleibt nur die Fahrt mit dem Auto. Und sind wir mal ehrlich: Zum Fußball gehört auch irgendwo ein Bier.
  3. Das Spiel ist letztendlich unwichtig. Ich möchte während des Spiels von Freunden umgeben sein, möchte mich über das Spiel unterhalten. Ich möchte in der Halbzeit fachsimpeln, möchte den Fanshop besuchen. Die unterschiedlichen Kneipen und Bierstände vorm Stadion und in der Stadt sehen. Denn das macht jedes Heimspiel zu etwas Besonderem. Und wenn ich dann alleine auf einem Rollstuhlplatz sitze, habe ich 90 Minuten, in denen ich ein Spiel mit einer vergleichsweise schlechten Sicht verfolge, aber bin komplett von Freunden abgeschnitten. 

Ich gönne es den Anderen

Wirklich. Ich freue mich für jeden, der dieses Gefühl der Gemeinschaft und der Liebe zum BVB ausleben kann. Aber wenn ich dann die Bilder bei Whatsapp, Facebook oder Instagram sehe, werde ich sehr traurig. Es ist wie ein Stich ins Herz. Denn ich kann nicht dabei sein. Und wenn ich dann „You’ll never walk alone“ über die Boxen vom Fernseher höre, laufen die Tränen über die Wangen. Denn dann fühle ich den ganzen Schmerz über das, was ich verloren habe und nie wieder zurückbekomme. 

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