Bevor ich krank wurde, hätte ich niemals gedacht, dass man sich in seinem Körper gefangen fühlen kann. Wenn man seine Gliedmaßen nicht mehr so bewegen kann wie man das einst konnte, ist das ziemlich frustrierend. Und ich habe dabei noch Glück, denn ich kann sie noch bewegen. Durch den Ausfall der Beine war ich immer mehr an mein Zuhause gebunden. Ein Besuch von einem Weinmarkt? Schützenfest? Weihnachtsmarkt? Geburtstag mit Stehparty? Ging nicht. Und selbst wenn ich irgendwo sitzen konnte, war der Stuhl meist so scheiße, dass ich keine 2 Stunden durchgehalten habe und von Minute 1 an nur den Schmerz im Kopf hatte. Irgendwann konnte man dann auch ziemlich gut an meinem Gesicht ablesen, dass es nicht mehr geht.
Mit dem Rollstuhl hat sich das jetzt (teilweise) geändert. Ich fühle mich so frei, wie ich mich seit 3 Jahren nicht gefühlt habe. Ich muss zwar ständig überlegen, wo ich mit dem Rolli lang fahren kann und welche Barrieren für mich nicht zu überwinden sind. Aber das nehme ich gerne in Kauf, wenn ich dafür wieder mehr machen kann. Ich habe zwar immer noch Schmerzen und die daraus folgenden Einschränkungen, aber der Rollstuhl verlängert durch den angepassten Sitz die verfügbare Zeit erheblich. Und eben die Strecke.
In meinem direkten Umfeld sind ebenfalls 2 gehbehinderte Menschen. Diese Menschen sind jedoch von älterem Jahrgang und scheinen nicht zu begreifen, welche Freiheit ich durch einen Rollstuhl bekomme. Sie sitzen lieber Zuhause rum, jammern über die schlechte Gehfähigkeit und halten sich am ihrem Stuhl fest. Aber anderereits sagen sie auch, dass sie ja keinen Rollstuhl brauchen. So schlimm wäre es ja noch nicht. Aber was ist denn an einem Rollstuhl schlimm? Natürlich kostet es Überwindung. Und ja, die Leute gucken einen auch immer mitleidig an. Denn der Rollstuhl macht eine Krankheit mehr sichtbar als alles andere. Aber will ich deswegen auf diese Freiheit verzichten, nur weil ich mich für meine Erkrankung schäme?
In unserer Gesellschaft ist leider immer noch nicht in allen Schichten angekommen, dass Krankheit und Behinderung normal sind. Es macht einen menschlich nicht schlechter. Nur eben anders. Von 83,2 Millionen Einwohnern in Deutschland sind 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen und wiederum 1,6 Millionen sind im Rollstuhl unterwegs. Aber wegen der eben erwähnten Engstirnigkeit einiger Menschen istr der Bedarf vermutlich noch viel größer.
Ich kann andere Menschen nicht dazu zwingen, dass Sie sich in einen Rollstuhl setzen. Möchte ich auch gar nicht. Und wenn sie sich durch eine Argumentation nicht belehren lassen, ist das eben so. Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Aber ich freue mich auf alle noch kommenden Volksfeste oder Geburtstage, an denen ich endlich wieder teilnehmen kann.