Das ist Wilma, meine Physiotherapeutin mit der feuchten Nase. Wilma zwingt mich jeden Tag nach draußen, damit ich meine Beine gebrauche. Sie sorgt intensiv dafür, dass mir die Bewegungen nicht fremd werden und ich so das bisschen Muskulatur und Koordination erhalten kann, was ich jetzt noch habe. Wilma weiß genau, dass ich nicht immer viel mit ihr gehen oder spielen kann. Neuerdings geht sie auch mit Frauchen neben mir her, wenn ich mit dem Rollstuhl fahre. Das ist eigentlich bei allen längeren Strecken so.
Bei der Bewegung ist die Strecke egal
Es gibt Tage, da muss ich nach 200 gegangenen Metern umdrehen, weil ich es sonst mit Wilma nicht mehr schaffe. Aber es geht hierbei nicht im die gegangene Strecke, sondern darum, dass ich überhaupt gegangen bin. Ich lasse Wilma viel schnüffeln. Ich bleibe stehen und gehe weiter. Ich drehe mich nach ihr um, wenn sie plötzlich etwas gerochen hat und gerne stehen bleiben will. Das hat dann zwar in dem Fall nicht viel mit Hundeerziehung und Leinenführigkeit zu tun, aber das ist für mich in diesem Fall auch einfach nebensächlich. Viel wichtiger ist für mich, dass ich die Bewegungsabläufe weiter trainiere und nicht verlerne.
Beim Spiel auf dem Rasen gehe ich an meine Grenzen
Wenn ich mit Wilma auf die Wiese gehe, werfe ich ein paar Bälle nach ihr. Leider ist unsere Wilma ein kleiner Quatschkopf und verliert schnell die Interesse daran, mir den Ball zurück zu holen und dafür ein Leckerli zu bekommen. Sie geht dann viel lieber auf die Suche nach Stöckern. Vor einiger Zeit hat sie dann eine Wurzel von einem Busch gefunden, der seitdem ihr liebstes Spielzeug ist. Ich lasse sie dann darauf herumkauen und versuche solange auf den Beinen zu bleiben. Irgendwann rinnt mir der Schweiß dann den Körper herunter. Nicht, weil es so warm ist. Oder weil ich Liegestütz mache. Für mich reicht es schon, einfach nur zu stehen und ein bisschen über den Rasen zu gehen. Dann macht sich der Schmerz in Rücken und Beinen breit und treibt den Schweiß aus mir heraus.
Haushalt
Ich habe durchaus auch gute Tage. Dann hole ich den Staubsauger raus und fange an den Boden zu saugen. Ich schaffe vielleicht nicht die ganze Wohnung auf einmal und muss mich zwischen den Räumen oft hinlegen – aber auch das ist Bewegung, die meiner Muskulatur gut tut. Ich brauche oft eine Stunde oder länger, um die Böden zu saugen. Nicht, weil die Wohnung so riesig ist oder ich ständig irgendetwas aus dem Weg räumen muss. Der Boden ist ziemlich frei und die Wohnung auch nicht so groß. Aber Ich muss trotzdem Pausen einlegen. Wenn die stechenden Schmerzen im Lendenwirbel zu stark werden. Oder wenn ich merke, dass ich die Kraft im linken Arm verliere und den Staubsauger nicht mehr richtig greifen kann. Manchmal ist mir auch einfach schwindelig, wenn ich mich dann doch mal irgendwie bücken musste. Und es gibt sicherlich auch Tage, an denen ich nach dem ersten Raum komplett aufhöre und mich hinlege. An anderen Tagen mache ich dann die Wäsche. Oder ich räume die Spülmaschine aus und wieder ein.
„Warum grüßt der mich denn nicht?“
Meine Nachbarn sehen mich, wenn ich mit Wilma die Straße entlang gehe. Manchmal kann ich fast flüssig gehen mit nur wenig humpeln. Dann wiederum bin ich sehr langsam und ziehe mein linkes Bein hinter mir her. Und Auf dem Rückweg schaffe ich es dann nicht mehr, mir entgegenkommende Menschen zu grüßen. Egal, ob sie mir auf dem Rad oder mit dem Auto entgegen kommen. Das ist nicht böse gemeint von mir. Aber ich kann mich dann kaum noch darauf konzentrieren, nach Hause zu gehen, weil sich der Schmerz zu sehr bemerkbar macht.
„Aber anstatt sowas zu machen, könnte er auch arbeiten!“
Ja, das könnte ich. Vielleicht 4 Stunden am Tag könnte ich vor dem PC sitzen und arbeiten. Diese 4 Stunden müsste ich mindestens 2 Mal unterbrechen, um mich auzuruhen. Aber dann würde ich auch meinen „Sport“ nicht mehr machen können, da meine Kraft vollständig für die Arbeit drauf gegangen wäre. Es würde kein halbes Jahr dauern, bis die 4 Stunden auf 2 Stunden sinken würden. Ich würde dann dauerhaft im Rollstuhl sitzen, weil ich keine Kraft mehr hätte, gehen zu können. Ich würde ein noch größerer Pflegefall werden, als ich es jetzt schon bin. Und wer hätte dann gewonnen?