Alltag

Es sind mittlerweile 20 Monate, die ich nicht mehr arbeiten kann. Eine Zeit, die geprägt war von Arztbesuchen, Behandlungsversuchen, Physiotherapie, Angst, Hoffnung und schlussendlich Resignation. Zumindest soweit es meine Krankheit und meinen Körper betrifft. Ich werde nicht mehr gesund. Mein Körperzustand wird sich nicht verbessern, sondern langfristig verschlechtern. Das klingt erstmal hart, aber das ist kein Weltuntergang! Ich habe es geschafft, meinem Leben einen neuen Sinn zu geben und die Dinge so anzunehmen, wie sie nunmal sind. Natürlich ist das oft schwer. Aber ich lasse mich nicht davon unterkriegen und habe mir eine Art Alltag zugelegt, der zwar nicht aufregend ist, aber mich auch nicht vollständig verzweifeln lässt.

Aufstehen

Ich stehe grundsätzlich früh auf, da unsere Wilma spätestens um 6 Uhr Hunger hat und uns tierisch auf den Sack geht. Versteht mich nicht falsch: Sie bellt nicht, sie knurrt nicht und sie jault auch nicht rum. Aber wir haben es ihr als Welpe erlaubt, mit ins Schlafzimmer zu kommen. Dort hat sie ihren Schlafplatz und ist froh, wenn sie in unserer Nähe ist. Gleichzeitig haben wir die Kontrolle, dass sie nichts kaputt macht – Soll ja Hunde geben, die gerne an Schuhen oder Schränken kauen. Wilma nicht. Die hat sich auf den vorderen Teil von Schnürsenkeln spezialisiert. Da, wo meist Plastik ist. Sie hat eben einen an der Pfanne. Das merkt man dann auch, wenn sie wach wird und von der einen zur anderen Bettseite tapert. Wie gesagt: Sie bellt nicht. Aber sie starrt. Sie legt den Kopf auf die Matratze (ins Bett darf sie ja nicht) und starrt einen wach 🙄 Okay, vielleicht wird man auch eher von dem Getappel auf dem Laminat wach, aber das Starren ist definitiv gewöhnungsbedürftig. 

Vormittag

Nach dem Aufstehen geht’s erstmal direkt raus, Mit Wilma Pipi machen. Anschließend bekommt sie Futter. Danach ist sie eigentlich erstmal wieder 4-5 Stunden abgemeldet und pennt weiter. Warum sollte sie das auch vorher tun… 

Der Morgen beginnt aber wie seit Jahren mit Kaffee. Dazu kommt leider mittlerweile eine gewisse Morgensteifigkeit, weshalb ich mich ein bisschen bewegen muss und irgendwelche Dinge aufräume oder versuche die Wäsche zu machen. Mein Körper hat allerdings nach 20 Minuten genug davon, weshalb ich mit dem nächsten Kaffee auf’s Sofa gehe. Und jetzt kommt etwas, was ich vor meiner Erkrankung niemals gemacht habe und auch nie dachte, dass ich es tun werde: Ich gucke Frühstücksfernsehen. Nicht das mit den hohlen Fritten auf RTL, sondern auf SAT1. Das MoMa im ZDF ist mir zu dröge und die Infomercial-Sendungen auf allen weiteren Sendern kann man sich auch sparen. Nach einer guten Stunde hat man dann auch alle Beiträge und die Nachrichten in der Kurzfassung gesehen und die Glotze kann wieder ausgemacht werden. Ich erledige dann noch etwas Büroarbeit (ja, es fällt immer irgendwas an – ob es Versicherungen sind, Arbeitsamt, Rentenkasse oder Terminorganisation bei irgendwelchen Ärzten) und kümmere mich weiter um die Wäsche. Wenn Wilma zwischendurch mal wach ist, wird mit ihr auch noch etwas trainiert. Gegen halb 11 geht es dann mit ihr nach draußen und wir gehen – an guten Tagen – eine halbe Stunde spazieren. 

Mittagszeit

Wenn man seinen Körper nicht mehr richtig benutzen kann, bilden sich die Muskeln zurück, die Sehnen werden kürzer und man bekommt als Quittung noch mehr Schmerzen. Normalerweise würde man da nun mit Sport gegenhalten, sich bewegen, spazieren gehen, radfahren etc. – Aber das würde leider viel zu sehr mein Energiehaushalt belasten und ich hätte keine Kraft mehr für Dinge, die mir wirklich Spaß machen. Deshalb versuche ich diesen „Sport“ mit einem Hobby zu verknüpfen und arbeite an meinem Camper. Das hält mich zu einem gewissen Grad beweglich und kräftigt meinen Körper. Natürlich tut mir danach alles weh. Es gibt Tage, da habe ich nach einer Stunde genug und eben auch Tage, da kann ich mal 3 Stunden was machen. Es hängt auch immer davon ab, was ich mit meiner Zeit den Rest des Tages anfangen will. Fahre ich Nachmittags/Abends noch zu Familie oder Freunden, kann ich nicht so lange am Camper arbeiten. Und leider passiert es dann auch oft, dass einige Sachen hinten rüber fallen, weil ich meinen Energiehaushalt nicht richtig einschätzen konnte – oder irgendwelche Dinge so spontan dazwischen gekommen sind, dass ich Abends wieder mit starken Schmerzen im Bett liege. Leider wird das immer so sein, da das Leben einfach nicht zu 100% planbar ist. Das habe ich – und leider auch mein Umfeld – so zu akzeptieren. 

Nachmittag

Nach der anstrengenden Arbeit am Camper muss ich meinen Körper wieder in die Horizontale bringen und ihm ein paar Stunden Ruhe gönnen. Meine Freundin geht meistens dann mit Wilma spazieren und lässt sie sich im Wald austoben. Wenn die beiden zurück sind, muss Wilma sehr oft duschen – schließlich muss man sich ja in jeder noch so kleinen Pfütze genüsslich wälzen, bis auch wirklich alles eingesaut ist. Glücklicherweise geht sie freiwillig in die Dusche und lässt sich gut abbrausen. Da aber die Tür zugehalten werden muss, damit sie nicht stiften geht, ist das meistens ein Job für 2 Personen. 

Abend

Am späten Nachmittag und in den Abend hinein wird meist gekocht, etwas mit der Familie unternommen oder einfach ferngesehen und gequatscht. Für mich ist der Abend allerdings meistens schnell vorbei, weil mich die Erschöpfung schnell packt und ich einschlafe. Meistens gegen 21:30 Uhr, oft aber auch schon früher. Leider ist meine Nacht wenig erholsam, ich werde oft wach, wälze mich umher, habe Schmerzen beim Liegen. Man fühlt sich am nächsten Tag immer wie gerädert. Aber mein Hobby, die Familie und Freunde lassen mich jeden Tag weiter machen, auch wenn sich mein Leben grundlegend verändert hat. 

Physiotherapie

2 Mal in der Woche gehe ich noch jeweils eine halbe Stunde zur Physiotherapie. Meistens werden die Muskeln oder Gelenke gelockert, insbesondere die Rippengelenke und die Wirbelkörper. Es ist für mich wichtig, dass das gemacht wird, damit ich nicht zu steif werde. Nur die Arbeit am Camper reicht nicht, weil man sich immer in eine Art Schonhaltung begibt. Ich brauche aber auch hier keine Wunder erwarten. Die Physio gehört zu meinem Alltag dazu und wird es wohl auch immer bleiben. 

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