Es gibt Tage und Momente, in denen ich mich nicht mehr bewegen möchte. Das kann mal direkt nach dem Aufwachen sein aber auch einfach zwischendurch. Ich hab mich vielleicht gerade hingelegt, den Fernseher angemacht und es genossen, wie der Schmerz nachlässt. Ich möchte hier nicht unnötig jammern, aber ich habe immer Schmerzen. Bin ich in Bewegung, steigt der Schmerz schnell an auf ein nicht mehr zu ertragendes Maß. Lege ich mich hin, dauert es eine Weile, bis ich wieder alles ertragen und mich am normalen Leben beteiligen kann.
Die Sicht der anderen
Als Außenstehender sieht man nicht sofort, dass ich Schmerzen habe. Würde man mich jetzt sehen, würde man nur jemanden vor dem PC beim Tippen sehen können. Es bleibt völlig unbemerkt, dass ich ein Brennen im Brustwirbelbereich habe, dass ein unterschwelliges Stechen in den Beinen da ist. Genausowenig sieht man, dass ich hundemüde bin. Ich möchte ja gerne schlafen – aber mein Körper lässt mich nicht. Für andere sehe ich fast gesund aus – abgesehen vielleicht davon, dass ich kaum noch Haare auf dem Kopf habe und zu viele Kilos mit mir herum schleppe.
Ich will nicht als krank gesehen werden
Ich möchte nicht pauschal als krank gesehen werden. Schließlich verändert das sofort jegliche Interaktion mit mir. Ich werde nicht mehr auf Geburtstage eingeladen, keiner geht mehr mit mir in ein Restaurant und von einem Spaziergang brauchen wir auch nicht reden. In solchen Momenten fühle ich mich ausgeschlossen und einsam. Natürlich weiß ich, dass ich das alles kaum noch machen kann. Ich kann nicht im einen Tisch herum stehen und Bier trinken. Ich kann auch nicht durch ganz Hamburg laufen und mir die Stadt ansehen. Und auch einen ganzen Abend in einer Kneipe sitzen, essen, trinken und feiern, geht so nicht mehr. Meine Zeit, in der ich die Schmerzen ignorieren kann, ist begrenzt. Aber das Wissen ändert nun einmal nichts daran, wie ich mich in solchen Momenten fühle.
Es jedes Mal einfach ‚Nein‘ sagen?
Klingt vom Grundgedanken her super. Aber wenn ich sage, dass ich jetzt in diesem Moment nichts mehr machen kann, enttäusche ich nicht nur mich selbst, sondern auch die Personen um mich herum. Schließlich macht man auch Pläne. Mal für den kommenden Tag, mal für einen Nachmittag. Aber es passieren auch spontane Dinge. Ein spontaner Spaziergang durch den Wald, ein Anruf von jemandem der Hilfe braucht, eine Reparatur im Haushalt. Das sind dann Dinge, für die ich keine Kraftreserve eingeplant habe. Aber soll ich dann immer jemanden enttäuschen, indem ich eine Sache absagen muss? Soll ich denjenigen im Regen stehen lassen, der Hilfe braucht? Oder soll ich kurzfristig eine Verabredung absagen, damit ich mehr liegen kann? Dafür habe ich selber ja schon kein Verständnis. Wie soll eine außenstehende Person das dann haben?
Eine Lösung?
Macht euch nichts vor. Es gibt keine Lösung für dieses Dilemma. Man kann nicht immer alle Menschen um sich herum glücklich und zufrieden machen. Und schon gar nicht sich selbst. Es wird immer wieder passieren, dass ihr euch an einem Tag völlig verausgabt, nur damit andere glücklich sind. Aber es wird genauso passieren, dass ihr Dinge nur für euch selber tut, damit euer Kopf nicht explodiert. Ich mache zum Beispiel für mein Leben gerne Dinge mit meinen Händen. Ich bin ein Handwerker durch und durch. Und deswegen mache ich auch manchmal einfach etwas, das schlecht für meinen Körper ist, aber gut für meine Seele.
Und der Stolz?
Ich bin ein sehr stolzer und sturer Mensch. Selbst wenn mir auf einer Party ein Stuhl angeboten wird, setze ich mich manchmal einfach nicht hin. Das mache ich wider besseren Wissens. Natürlich ist mir klar, dass ich nicht mehr lange stehen kann. Aber ich bin zu stolz dazu, als einziger zu sitzen. Natürlich ist dieser Stolz falsch. Aber wenn man als einziger sitzt, gucken alle anderen zwangsläufig doof herüber. Sie wissen vielleicht nicht, warum man sitzen muss. Dann hat man direkt den ersten Fettsack-Stempel auf der Stirn. Vielleicht wissen sie es doch, aber gucken dann mitleidig herüber. Dann hat man dazu noch den Krüppel-Stempel. Ich weiß, dass man eigentlich über solchen Dingen drüber stehen sollte. Aber das geht nicht immer. Man möchte auch einmal wieder ganz „normal“ sein. Und deswegen steht man dann eben länger, als es für einen gut ist.
Fazit
Verständnis. Habt Verständnis dafür, wenn andere Menschen nicht verstehen können, warum ihr etwas tut obwohl es euch danach (körperlich) schlecht geht. Seid euch bewusst, dass eure Krankheit nach außen nicht sichtbar ist. Und ihr anderen: Habt ein bisschen Verständnis dafür, wie ein chronisch Kranker sich fühlt. Vielleicht kommt ihr euch blöd dabei vor, jemanden zum tausendsten Mal zu etwas einzuladen, wo er vermutlich eh nicht lange hinkommen kann. Und wenn jemand nicht lange stehen kann, setzt euch mit ihm zusammen hin. Versucht ein bisschen mehr Empathie zu zeigen. Aber behandelt einen auch nicht immer pauschal als totaler Krüppel.