Pflegegrad

In den vergangenen Wochen konnte ich einen Teilerfolg verbuchen: Mir wurde der Pflegegrad 1 anerkannt. Für mich war das bisher ein langer Kampf, der auch noch nicht zuende ist. Auch hier habe ich mit dem Sozialverband zusammen einen Widerspruch verfasst, da die Beurteilung durch die Krankenkasse bzw. den Medizinischen Dienst der Krankenkassen nicht vollumfänglich erfolgt ist.

Wer sich das erste Mal mit solchen Dingen beschäftigt, ist hier leicht überfordert. Deshalb möchte ich in dem Folgenden Text anhand meiner eigenen Erfahrung einige Wege zur Informationsbeschaffung erläutern und mit Vorurteilen aufräumen.

Erste Anlaufstelle: Internet

Wenn man selbst merkt, dass man immer mehr Hilfe im Alltag braucht, greift man zu allererst auf sein Umfeld zurück. Der Partner hilft, wenn er anwesend ist. Er übernimmt den Haushalt, beruhigt einen in schlechten psychischen Phasen und hält einem einen Arm hin, wenn man ins Wanken kommt. Doch was passiert, wenn ich so eine Person nicht im Haushalt habe? Spätestens an diesem Punkt fängt man an zu googlen. Zwangsläufig durchsucht man unzählige Seiten im Internet und fühlt sich nur noch mehr überfordert. Ich bin bei meiner Suche immer wieder auf pflege.de gestoßen. Hier habe ich alle Informationen zum Pflegegrad gefunden, welche Leistungen einem wann zustehen und wie ich diese beantragen kann. Bevor ich hier nun bereits aufbereitetes Wissen erneut wiedergebe, lest euch einfach durch die Beiträge auf dieser Seite durch. 

Es wird ein Kampf

Wenn ihr mit der Recherche im Internet durch seid, werdet ihr sicherlich schnell den Antrag bei der Pflegekasse stellen. Diese ist in der Regel auch eure reguläre Krankenkasse. Ein Eintrag per E-Mail sollte auch ausreichen.

Krankenkassen legen alles darauf an, eine Pflegebedürftigkeit herunterzuspielen. Meist sitzen in den Krankenkassen jedoch keine Pflegekräfte oder Ärzte. Hierfür wird eigentlich immer der Medizinische Dienst der Krankenkassen (kurz MD, früher MDK) beauftragt. Dieser erstellt dann ein Gutachten über einen und stuft einen entsprechend in einen Pflegegrad ein. Auch hierzu gibt es unter pflege.de genügend Erläuterungen. In meinem Fall wurde das Gutachten aufgrund der Corona-Pandemie immer telefonisch durchgeführt. Hier fehlen dann aber die Beobachtungen des Gutachters bzw. der Begutachterin, sodass man selbst solche Dinge erwähnen muss. Und genau das ist gar nicht so einfach, da viele Dinge sicherlich schon in euren Alltag übergegangen sind. Wenn ihr zum Beispiel Probleme habt, eine Wasserflasche zu öffnen, dann ist das nach all der Zeit einfach normal. Trotzdem müsst ihr es erwähnen. Denn selbst solche Dinge haben eine Relevanz.

Alles zählt – ob mehrmals täglich oder nur einmal pro Woche

Jede Kleinigkeit, welche ihr nicht selbst könnt, zählt. Dabei ist es auch völlig egal, ob es mehrmals am Tag nicht mehr geht oder nur einmal pro Woche. Es spielt keine Rolle, ob es nur phasenweise nicht geht und wie lang oder oft diese Phasen sind. Ihr müsst in dem Gespräch mit der Pfledgekasse die Haltung einnehmen, dass wenn es einmal pro Woche nicht geht, es eigentlich jeden Tag nicht geht. Denn nur so können schlechte Phasen vollständig berücksichtigt werden. Habt keinen falschen Stolz und erwähnt alles. 

Wenn ich pflegebedürftig bin, kann ich nicht mehr Arbeiten

Die Pflegebedürftigkeit hat nichts, aber auch gar nichts, mit der Arbeitsfähigkeit zu tun. Das Sozialgesetz ist explizit so ausgelegt, dass eine Arbeit weiterhin ermöglicht werden soll. Natürlich bedarf es oft der Absprache mit dem Arbeitgeber. Vielleicht könnt ihr aufgrund eurer Erkrankung auch generell nicht mehr so viel Arbeiten. Hier muss einfach der Kontakt zum Arbeitgeber gesucht werden, um alles entsprechend abzustimmen.

Aber das geht sicherlich in der Mehrheit der Fälle nicht.  Ich kann zum Beispiel keinen Arbeitgeber finden, welcher es einfach so akzteptiert, dass einzelne Tage oder auch mehrere einfach keine Arbeit bei mir möglich ist. Schlechte Phasen können nicht eingeplant werden. Arbeit kann oft nicht liegen bleiben. Und auch die regelmäßigen Pausen, welche nach einer Stunde Arbeit notwendig wären, sind oft nicht zu realisieren. Vor allem, wenn man dann einfach liegen muss. Erst recht gibt es kaum einen Arbeitgeber, welcher diesen Aufwand und diese Einschränkungen für nur ein paar Stunden Arbeit in der Woche auf sich nimmt. 

Die Pflegekraft

In den meisten Fällen wird der Partner oder ein anderer naher Angehöriger die Pflege übernehmen. Das ist eine Mehrbelastung, welche über das Pflegegeld honoriert wird. Ist die Pflege so aufwändig, dass man selbst das nicht mehr schafft – oder man es emotional nicht packt – gibt es die Möglichkeit, das über eine externe Pflegekraft zu machen. Hier muss man aber für eine optimale Pflege oft noch selbst drauf zahlen. Manche Menschen würden für die Pflege sogar ihre eigene Arbeitszeit reduzieren. Aber das ergibt oft keinen Sinn, wenn man selbst gut verdient. Denn das Pflegegeld ist verglichen mit dem Pflegeaufwand vermutlich noch weniger als der Mindestlohn. 

Tipp: Entlastungsbetrag

Meine Physiotherapeutin gab mir den Tipp, dass der Entlastungsbetrag auch für Dienste im Sinne der Nachbarschaftshilfe genutzt werden kann. Hierfür muss der/die Nachbarschaftshelfer/-in nur einen Online-Kurs absolvieren und darf einem dann im Alltag helfen. Dabei ist jedoch nicht die pflegerische Hilfe wie z.B. das Waschen des „Patienten“ gemeint, sondern Tätigkeiten wie Putzen (Wohnung, Balkon, Auto, usw.), Einkaufen, Begleitung zu Arztterminen und auch die Begleitung bei Freizeitaktivitäten. Dabei wird der Entlastungsbetrag (max. 125 Euro im Monat) auf das Konto des Pflegebedürftigen – also des Versicherungsnehmers – ausgezahlt. Dieser muss lediglich eine monatliche Abrechnung an die Pflegekasse schicken, in der Pflegebedürftiger UND Helfer/-in die geleisteten Arbeiten und die Zahlung bestätigen. Der Pflegebedürftige würde dann die Helferin entsprechend ihrer Tätigkeiten bezahlen. 

Personen im Sinne der Nachbarschaftshilfe dürfen keine Verwandten sein. Aber bei den meisten Kassen spielt es keine Rolle, ob der Nachbar direkt im Haus oder nebenan wohnt. Meine Helferin wohnt mehrere Straßen von mir entfernt. Aber das ist auf dem Land auch einfach oft „normal“. Hier gilt: Einfach probieren. 

Praxisbeispiel: Eine Nachbarin hat für mich im vergangenen Monat mein Auto geputzt, ist mit mir zusammen Einkaufen gefahren, hat meinen Balkon geputzt und hat an einem Sonntag den Tag mit mir zusammen verbracht und mich dabei immer wieder unterstützt, indem sie z.B. das Bier geöffnet hat oder mich gestützt hat, wenn ich nicht mehr richtig gehen konnte. Dadurch wurde meine Freundin entlastet, da sie genau diese Dinge dann nicht tun musste. Somit wäre auch der Begriff geklärt.

Widerspruch, Klage

Ich habe selbst schon ein Widerspruchsverfahren hinter mir. Die telefonische Begutachtung ist leider von deutlich minderer Qualität, wodurch oft ein falsches Ergebnis im Gutachten steht. Das wurde mir auch vom Sozialverband entsprechend bestätigt. Hier solltet ihr einfach hartnäckig sein und euch auch Hilfe im Verfahren holen. Das kann ein Sozialverband sein oder auch ein Anwalt. Scheut euch auch nicht vor einem Klageweg, um euer Recht durchzusetzen.

Fazit

Pflegebedürftig zu sein ist sicherlich scheiße. Ich spreche da aus Erfahrung. Aber wenn es schon so ist, sollte man das Beste daraus machen. Man sollte einen Moment lang in der Begutachtung die Scham ignorieren. Man sollte alles versuchen, um sein Recht durchzusetzen und die HIlfe zu bekommen, die notwendig ist, um trotzdem noch ein schönes Leben haben zu können. Und da spielt Geld – leider – immer eine Rolle.

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